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La Habana, Cuba

Freiluftmuseum

Vor vielen Wochen hatten wir uns bereits entschlossen, dass wir unsere Reise in Kuba ausklingen lassen wollten. Wir träumten damals im kühlen Patagonien von warmen Temperaturen, vom unbeschwerten karibischen Lebensgefühl, endlosen Sandstränden und von Rum und kubanischen Zigarren. Und schliesslich sagten wir uns auch seit Jahren, dass es höchste Zeit für einen Besuch war, wenn wir das authentische Kuba noch erleben wollten, bevor der Massentourismus endgültig Einzug hält.


Gesagt, getan. Wir flogen am 8. Juni 2017 von Bogotá in die Hauptstadt Kubas, nach La Habana. Zusammen mit anderen Touristen und zahlreichen Exil-Kubanern warteten wir am Gepäckband auf unsere Rucksäcke. Viele Exil-Kubaner hatten soviel Gepäck, dass sie mehrere Gepäckwagen dafür brauchten. Dass es der Karibikinsel an so manch Lebensnotwendigem fehlt haben wir später immer wieder auch selber festgestellt. Nachdem unser Gepäck nach rund einer Stunde auf dem Gepäckband lag, brachten wir rasch die Immigration hinter uns und waren im bürokratischen Fichen-System Kubas offiziell registriert.


Kuba besteht aus der Hauptinsel Kuba, der Isla de la Juventud und etwa 4'200 kleineren Inseln. Der Inselstaat gehört zu den grossen Antillen und ist mit 110 Tausend Quadratkilometern knapp dreimal so gross wie die Schweiz. Von West nach Ost sind es etwa 1'250 Kilometer, wir mussten uns also etwas einschränken, denn um die ganze Insel zu besuchen, hatten wir zu wenig Zeit. Von den Total gut 11 Millionen Kubanern leben 20% in der Hauptstadt Havanna, der Rest verteilt sich auf viele kleinere Städte verteilt übers Land. Ein guter Grund also, unsere letzte Etappe in der Hauptstadt Havanna zu beginnen.


Nach fünf weitgehend ungeplanten Monaten des Reisens hatten wir auch für Kuba nur viele Ideen im Kopf, aber nichts im Voraus organisiert. Einzig den Rückflug in die Schweiz hatten wir vor einigen Wochen gebucht, da wir pünktlich zurück bei unserer Arbeit sein wollten ;-). Als erstes stand am Flughafen das Organisieren eines Mietwagens an. Zu unserer Überraschung haben uns sämtliche Agenturen erklärt, dass es derzeit unmöglich sei, vor Ort einen Mietwagen zu finden. So haben wir schon in den ersten Stunden gemerkt, dass vieles komplizierter war als erwartet und dass Kuba einfach anders tickt.


Zum Glück funktionierte noch einer unserer Kreditkarten. Wir kamen so rasch an lokales Geld und konnten uns die kleine Ewigkeit des Wartens vor den Wechselstuben sparen. In Kuba gibt es nämlich zwei offizielle Währungen, was wohl heute weltweit einmalig ist (ähnliches gab es mal in China, aber das ist längst passé). Einerseits gibt es den Peso Cubano, kurz CUP, der vor allem von den Kubanern verwendet wird. Dann gibt es den Peso Convertible, kurz CUC, der Touristen als Devisenwährung dient. Heute bezahlen aber viele Kubaner auch mit CUC, weil Sie z.B. im Tourismus tätig sind oder von Verwandten im Ausland finanziell unterstützt werden. Auch als Tourist ist es möglich, mit CUP zu bezahlen, wenn man in die entsprechenden Lokale geht, viele Touristen kommen aber nie mit den CUP in Berührung.

CUC kann man nur auf Kuba kaufen und wieder zurückwechseln, das erklärt die langen Warteschlangen vor den Wechselbüros. Ein CUC entspricht grundsätzlich einem US Dollar, allerdings gibt es seit 2004 eine offizielle 10%-Strafsteuer, wenn Dollar in CUC getauscht werden. In Hotels erhält man für 100 Dollar statt der „offiziellen“ 90 CUC oft nur 87 CUC. Zum Glück war unsere Dollarreserve langsam aufgebraucht…


Mit den bezogenen Convertibles liessen wir uns in den Stadtteil La Habana Vieja fahren. Wir hatten vor, auf Kuba in sogenannten Casa Particulares zu logieren. Das sind von Kubanern vermietete Zimmer, mittels welchen die Regierung Castro ausgewählten privaten Haushalten eine wirtschaftliche Tätigkeit und eine Einkommensquelle ermöglicht. Natürlich nicht, ohne über Steuern und Abgaben kräftig daran mitzuverdienen.


Weil uns die liebe Natty (Goncas Schwester) und Carmen aber das legendäre Hotel Ambos Mundos empfohlen hatten, wollten wir die erste Nacht dort verbringen. Tatsächlich fühlt man sich in diesem Hotel wie in einer anderen Epoche. Im offenen Empfang des Hotels lädt eine grosse Bar geradezu zum Trinken und Philosophieren ein und überall hängt Zigarrenrauch in der Luft. Wir konnten uns gut in die Zeit zurückversetzen wie Ernest Hemingway hier um 1930 mehrere Jahre gelebt, getrunken und viele seiner Texte geschrieben hat. Die Architektur des Hotels mit der alten metallenen Liftanlage samt Lift-Boy war beeindruckend, die Zimmer waren ebenfalls sehr old-school mit dunklen und schweren Möbeln eingerichtet. Insgesamt waren wir aber vom Hotel eher enttäuscht, denn der Grossteil des Personals war schlecht gelaunt. Im Unterschied zu unserer bisherigen Reise waren nur wenige Angestellte sichtbar bemüht, den Gästen einen schönen Aufenthalt zu bescheren. Das haben wir in Kuba immer wieder so empfunden, eine Dienstleistungsgesellschaft lässt sich im Kommunismus nur schwer umsetzen. Frühstück gab es auf der wunderschönen Dachterrasse, leider war das Früchtebuffet halb vergoren und wurde schon von zahlreichen Fliegen belagert. Es war das wohl schlechteste Frühstück auf der ganzen Reise, und das bei einem Übernachtungspreis, der das 5-fache eines Spitzenverdienstes in Kuba beträgt. Interessant war der Aufenthalt im Ambos Mundos aber alleweil. In Erinnerung behalten wir etwa folgende Szene: Nachdem wir uns an der Rezeption nach einer Internetkarte erkundigt hatten (mit diesen Karten kann man an definierten öffentlichen Hot Spots für eine Stunde in Schneckentempo im Internet surfen), bot uns der aufmerksame Lift-Boy diese nur zwei Minuten später im Aufzug für einen Drittel weniger an. Wir hielten uns zurück, denn auch bei diesem Deal gab es noch reichlich Verhandlungsspielraum ;-).


Neben Internetkarten hätten wir beim Lift-Boy und anderen hilfreichen Mittelsmännern auch problemlos US Dollar zu vergleichsweise guten Konditionen wechseln können. Speziell war auch eine Begegnung ein paar Tage später in Havanna. Wir erkundigten uns erneut um einen Mietwagen und dabei wurde eine Musikband auf uns aufmerksam. Zumindest sagten sie, dass sie eine bekannte kubanische Band seien und alle sahen sehr relaxt aus und waren auch entsprechend gekleidet. Sie boten uns freundlicherweise an, ihr Auto zu mieten, völlig unkompliziert und ab sofort. Wir waren zwar neugierig, das Ganze sah aber schon von Weitem so unseriös aus, dass wir die Hände davongelassen haben. Not macht erfinderisch.


In den Stunden nach unserer Ankunft ergossen sich sintflutartigen Regenfälle über Havanna. Wir wagten uns trotzdem raus und erkundeten die Stadt. Insgesamt war es aber ruhig auf den Strassen von Havanna und wir vermissten die lebensfrohen, unbeschwert Salsa-tanzenden Menschen, die wir uns in unseren Köpfen ausgemalt hatten. Als erstes fällt im Stadtteil La Habana Vieja die koloniale Architektur ins Auge. Die historischen Bauten faszinierten uns, schnell stellten wir aber auch fest, dass die teilweise einbruchgefährdeten Gebäude deren Bewohner kaum vor Regen schützten und ein Leben darin höchstens für Touristen romantisch erschien. Viele der bunten Häuser sind zwar mittlerweile renoviert worden, ein Grossteil der kubanischen Bevölkerung lebt aber nach wie vor in äusserst ärmlichen Verhältnissen.


Was einem auf Kuba aber sofort ins Auge springt sind die Autos. Auf den Strassen begegnet man unzähligen Oldtimer von Chrysler, Chevrolet, Ford oder Cadillac und fühlt sich ganz wie in einem Freiluftmuseum. Schätzungen gehen davon aus, dass noch rund hundert Tausend Fahrzeuge unterwegs sind, die zwischen 1945 und 1958 gebaut wurden. Nach der Revolution 1959 hat Fidel Castro die Amerikaner aus dem Land geworfen und es fanden danach keine amerikanischen Autos mehr den Weg nach Kuba. Neben den amerikanischen Oldies sieht man auch viele jüngere Fahrzeuge aus den ehemaligen sozialistischen Bruderstaaten, allen voran Ladas und Moskvichs, von denen die meisten aus den 70er Jahren stammen. Generell hört man immer wieder, dass auf Kuba die besten Automechaniker der Welt leben und die Kubaner sind auch mächtig stolz darauf. Ein Gespräch damit zu beginnen, war immer gut ;-). Wir wurden nach einem Plattfuss selbst Zeugen des Improvisationstalents der kubanischen Garagisten und können die Einschätzung zu 100% bestätigen. Seit einigen Jahren sind Reparaturen etwas einfacher, denn gewisse Ersatzteile können für viel Geld aus dem Ausland eingeführt werden, weil das Embargo hier nicht greift. Man darf sich aber auch nicht vom Schein täuschen lassen, denn oft sind die originalen grossvolumigen Acht-und-mehr-Zylinder-Motoren in den Ami-Schlitten durch sparsame Dieselaggregate einfacher zu beschaffender und sparsamerer Modelle ausgetauscht worden. Das tut einem dann richtig weh in den Ohren…


Natürlich haben wir auch eine Rundfahrt in einem 1957 Chevrolet Cabriolet gemacht, nachdem sich Patrick versichert hatte, dass auch alle acht Zylinder befeuert werden ;-) Wir konnten uns dann gleich selbst von der Pannenanfälligkeit überzeugen, denn jedes Mal, wenn der Motor ausgeschaltet wurde, musste unser Driver mit einem Holzscheit willkürlich (aus unserer Optik zumindest) auf irgendwelche Teile im Motor schlagen, bis er wie von Geisterhand wieder losbrüllte. In Erinnerung bleibt uns, dass unser Fahrer keinen Hehl daraus machte, dass er die erstbeste Ausländerin heiraten würde, einfach um aus dem Land zu kommen. Mehr und mehr wurde uns bewusst, wie sehr die Bevölkerung unter dem Castro-Regime leidet und wie sehr die für uns schönen Kolonialbauten und alten Autos für die Bevölkerung eine Last darstellen. Auch wurde langsam klar, warum beim Grossteil des Hotelpersonals trübe Stimmung angesagt war…


Bei unseren Auto-Gesprächen ging es oft um die Frage, wieviel ein Auto in Kuba kostet. Grundsätzlich steht einer grossen Nachfrage ein viel zu kleines Angebot gegenüber, zudem kann ein Auto nur mit einer Bewilligung der Regierung gekauft werden. Selbst ein vermögender Kubaner kann ohne Kontakte nicht einfach ein Auto aus dem Ausland importieren. Sicher gibt es zuverlässigere Quellen als diesen Blog, aber nach unseren Informationen kostet ein amerikanischer Oldie bis Jahrgang 1958 (d.h. ein bald 60-jähriges Fahrzeug) meistens über zehntausend US Dollar, ein deutlich „jüngerer Russe“ liegt bei rund 15 bis 20 Tausend US Dollar. Und diese Preise sind keine Liebhaber- oder Oldtimerpreise, sondern repräsentieren den normalen Automarkt auf Kuba. Das sind unvorstellbare Summen bei einem umgerechneten Monatslohn von 20 bis 50 US Dollar. Neben den Oldtimern gibt es mittlerweile auch einige moderne Autos, zum grossen Teil Geelys, Chrysler-Imitate aus China.


Kuba importiert rund 80% der benötigten Nahrungsmittel. Interessanterweise rangieren die USA auf Platz fünf der grössten Kuba-Exporteure. So importiert Kuba etwa den Grossteil seines Geflügelbedarfs aus den USA, welches nur an vier andere Länder noch mehr Geflügelprodukte exportiert (Stand per unserer Reise). Möglich macht dies eine Sonderregelung im Embargo: Das Handelsembargo betrifft Importe, die auf Kredit erfolgen. Werden Güter hingegen direkt in bar bezahlt (wie beim Geflügel), ist ein Import möglich. Eine ziemlich perverse Situation. In anderen Bereichen entfaltet das Embargo natürlich stärkere Wirkung. Die breite Bevölkerung betrifft dies persönlich aber wenig, denn solange die Löhne derart tief sind, würde selbst bei einem bestehenden Angebot kaum eine nennenswerte Nachfrage entstehen. Natürlich beeinflussen die Handelshemmnisse die kubanische Volkswirtschaft als Ganzes und deren Bürger damit indirekt.


Neben diesen schwierigen Rahmenbedingungen hat Kuba auch durch die fehlende Unterstützung aus der ehemaligen UdSSR zu leiden. Heute ist v.a. China ein (wirtschaftlich) Verbündeter, Venezuela ebenfalls, das Land kämpft aber derzeit mit noch viel grösseren Problemen. Daher ist es nicht erstaunlich, dass jeder das Land verlässt, dem sich dazu eine Chance bietet. Fast alle Kubaner, die wir befragt haben, wollen am liebsten in die USA, obwohl dies seit Jahrzehnten der eigentliche Erzfeind ist und alle Kubaner den neuen Präsidenten für einen Trottel halten und auch gerne darüber sprechen (hier haben wir 100% die Meinung der Kubaner geteilt). Seit der Revolution haben etwa eine Million Kubaner das Land verlassen. Es spricht für die Kubaner, dass sie trotz der Entwicklungen der letzten Jahrzehnte die Politik von Land und Leuten trennen können.


Zurück zu Havanna: Nach viel Sightseeing wollten wir uns am zweiten Abend im «La Guarida» verköstigen, einem hippen Restaurant. Dieses erstreckt sich im oberen Teil einer Bauruine über zwei Stockwerke. Die bauruinenartigen unteren Stockwerke mit dem geschwungenen Treppenaufgang wirkten surreal, alles war düster und wirkte ziemlich verlassen, obwohl in einzelnen Zimmern Leute zu wohnen schienen, denn vereinzelt liefen Fernsehgeräte. Weiter oben im Gebäude wurde es sehr lebendig und fancy. Nach ein wenig diplomatischem Geschwafel gelang es uns, mal wieder ohne Reservation einen Tisch im gut besuchten Restaurant zu ergattern. Den Aperitif, also in Kuba den obligaten Mojito, genossen wir auf der offenen Dachterrasse mit traumhafter Aussicht über Havanna.


Während wir auf dem Weg zum Restaurant zufällig einem Kollegen von Gonca über den Weg liefen, trafen wir auf dem Rückweg tausende Kubaner am Malecón an, der Küstenmauer, die die Nacht mit Salsa, Rum und allerlei Essbarem genossen. Da war sie also, die kubanische Lebensfreude, die wir gesucht hatten!


Da es uns in ganz Havanna nicht gelang, ein Mietauto aufzutreiben, beschlossen wir, uns ein Busticket nach Viñales im Nordwesten der Insel zu kaufen, um nach der Städtetour Kubas Natur zu erleben und klettern zu gehen, was eigentlich illegal ist, weil westlich bzw. amerikanisch. Weil ein solches Busticket im bürokratischen Kuba mindestens 24 Stunden im Voraus gelöst sein muss (ja wie konnte es auch anders sein, auch die einzige Reiseagentur in Kuba, die Cubanacan, ist staatlich), blieb uns noch ein Sightseeing Tag in Havanna, der sich mit etwas Rum auch ganz angenehm gestaltete. Sogar auf den notorischen Zigarren-Trick, vor dem gleich auf der ersten Seite des Lonely Planets über Havanna gewarnt wird, sind wir (beziehungsweise Patrick, der nicht auf Gonca hören wollte) noch reingefallen. So haben wir nach einem halbstündigen Gespräch inkl. Besuch der «Produktionsstätte», ausnahmsweise eine gewöhnliche Wohnung, weil die grossen Fabriken wegen der staatlich verordneten Ferien gerade geschlossen waren, für teures Geld Bananenblätter in Zigarrenform gekauft. Im Nachhinein schämt man sich fast etwas dafür, die Masche war aber wirklich raffiniert und der Zigarrenbetrüger hat sich unsere Meinungsverschiedenheit ganz geschickt zunutze gemacht. Was mit einem netten Gespräch über den Buena Vista Social Club und Compay Segundo begonnen hatte und als Unterstützung des einfachen Arbeiters gedacht war, ist am Ende in einer grossen Enttäuschung gemündet. Ein persönlicher Erfahrungsbericht kann auf Anfrage gerne nachgeliefert werden, für eine detaillierte Schilderung sitzt der Schmerz noch zu tief ;-). So fühlten wir uns oft in Kuba, man wusste nicht so recht, wem man vertrauen konnte, ganz im Gegensatz zu der übrigen Reise.


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