Nach unserer aufregenden Bootstour im Galapagos-Archipel sind wir von Baltra via Guayaquil nach Bogotá gelangt. Bei der Einreise bildete sich eine lange Schlange, wir haben aber gleich zwei bekannte Gesichter entdeckt. Manuel und Daniela, die wir von den Galapagos-Inseln kannten, hatten sich als Abschluss ihrer langen Reise für ein paar Tage Kolumbien entschieden. Wir wollten uns gemeinsam ein Taxi ins Stadtzentrum teilen und hatten nach kurzem Verhandeln einen Fahrer gefunden. Als wir bei dem ziemlich abseits geparkten Auto ankamen, beschlich uns ein komisches Bauchgefühl. Obwohl soweit noch nichts schiefgegangen war, entschieden wir uns, auf unseren Instinkt zu hören, schliesslich waren wir alle schon länger auf Achse und hatten die einte oder andere brenzlige Situation erlebt bzw. wir waren in Chile ja schon komplett ausgeraubt worden. Im Verlauf einer Reise wird man meistens gelassener, weil man Land und Leute richtig einschätzen lernt und Vorurteile ablegt. In Kolumbien wollten wir aber trotzdem vorsichtig sein, denn jeder kennt ein paar schlimme Geschichten und tatsächlich warnten uns auch die Kolumbianer selber immer wieder vor Überfällen in Taxis, selbst sie sind da vorsichtig. Es gibt z.B. eine offizielle Taxi-App und die Fahrer lassen nur Gäste eingestiegen, die den richtigen Verifizierungs-Code vorweisen können.
Tatsächlich blickt Kolumbien auf eine Geschichte voller Gewalt und einen Bürgerkrieg zwischen Polizei und Militär, der Guerilla und den FARC zurück. Diese Situation hat sich dann auch noch die Drogenmafia zunutze gemacht und die bewaffneten Auseinandersetzungen zusätzlich angeheizt. Die ganze Geschichte, ihre Beteiligten und deren Beziehungen untereinander sind kompliziert und gehen weit zurück. Wir verstehen aus dem fernen Europa nur einen Bruchteil, oft war für uns nicht klar, welche Gruppierung nun gut oder böse Absichten gehegt hat. Das ist eigentlich erstaunlich, wenn man bedenkt, dass Kolumbien die erste Demokratie in Südamerika war und die zweite in Amerika nach den USA.
Unbestritten ist, dass regelmässig Anschläge gegen die Zivilbevölkerung verübt wurden und Mord und Totschlag in den grossen Städten wie Bogotá und Medellín zum Alltag gehörten. So kamen bis Mitte der Nullerjahre jährlich weniger als eine Million Touristen ins Land, 2016 hatte sich diese Zahl verdreifacht. Tendenz stark steigend, denn Kolumbien ist im Wandel! Ende 2016, kurz vor Aufbruch unserer Reise, wurde ein Friedensabkommen mit den FARC-Rebellen unterzeichnet, die deren Entwaffnung zur Grundlage hat. Nachdem dieses in einer ersten Fassung tatsächlich vom Volk abgelehnt wurde, konnte Ende 2016 ein bisher anhaltendes Friedensabkommen geschlossen werden (dieses wurde dem Volk nicht mehr zur Abstimmung vorgelegt). Für seine Bemühungen im Friedensprozess wurde dem damaligen kolumbianischen Präsidenten Juan Manuel Santos 2016 sogar der Friedensnobelpreis verliehen. Das Abstimmungsergebnis zeigt einmal mehr die Komplexität im Land, denn mit Sicherheit wollte die grosse Mehrheit der Abstimmenden keinen Krieg mehr, viele beurteilten die Rolle der FARC und der Drogenmafia in ihrem Leben aber anders als wir es mit unserem westlichen Blick tun. Trotz dieser Geschichte und den gewalttätigen Auseinandersetzungen wirkte Kolumbien auf uns vor allem in den Städten sehr entwickelt und teilweise amerikanisiert.
Wir sind in Kolumbien ausnahmslos netten und freundlichen Menschen begegnet, die uns stets ein Gefühl des Willkommenseins gegeben haben. Schnell revidierten wir unsere Meinung über die Sicherheit und Kriminalität und fühlten uns sehr wohl und hätten das Land gerne ohne Zeitplan kennengelernt. Weil uns aber nur zwei Wochen Zeit blieben, hatten wir uns für einige wenige Highlights entschieden.
Unser Kolumbien-Besuch startete also in der Hauptstadt Bogotá, die gegen 10 Millionen Menschen zählt. Bogotá ist der grösste Ballungsraum im Land, von den knapp 50 Millionen Kolumbianern leben aber die allermeisten im karibischen Tiefland und dem Andenhochland. Die niederschlags- und vegetationsreichen Gebiete jenseits der Anden (die Regionen Amazonien und Orinokien) sowie der pazifische Raum sind nur dünn besiedelt. Kolumbien ist übrigens mit knapp 50 Millionen Einwohnern das zweitbevölkerungsreichste Land in Südamerika, nach Brasilien.
In Bogotá besuchten wir zuerst das Goldmuseum, das Museo del Oro, was uns einen guten Einblick in die präkoloniale und koloniale Geschichte des Landes gab. Ja, es waren wieder einmal Gold und Edelsteine, hinter welchen die Spanier her waren. Genau genommen waren es eher die Europäer, denn seit der Lektüre von Yuval Noah Harari (Eine kurze Geschichte der Menschheit) in El Calafate wussten wir, dass die europäische Eroberung der Welt immer mehr über Kredite verschiedener Länder statt über Steuern aus den Seefahrernationen selbst finanziert wurde. Die Spanier und andere europäische Länder waren seit den immensen Goldfunden im Reich der Inkas regelrecht davon besessen. Ein zweites Peru würde es aber nicht geben, Peru war schlichtweg DAS Goldland in Südamerika, das wussten die Eroberer aber damals noch nicht und die Hoffnung auf weitere Funde führte zu weiteren Eroberungsexpeditionen.
In Kolumbien kursierte seit dem 16. Jahrhundert die Legende von El Dorado, wonach dem mächtigen Sonnengott im Bergsee von Guatavita regelmässig Opfer in der Form von Gold und Edelsteinen erbracht wurden. Der jeweilige Herrscher fuhr mit einem goldenen Floss in die Mitte des Sees, wo Gold und Edelsteine auf den Seegrund versenkt wurden. Als Beweisstück für diese Legende gilt das Goldfloss von El Dorado. Obwohl der Brauch bei der Ankunft der Spanier schon lange nicht mehr ausgeübt wurde, glaubten diese aber nur zu gerne daran. Gemäss Historikern war die Suche nach dem legendären El Dorado sogar eine der wesentlichen Triebfedern für die Erkundung und Eroberung Südamerikas durch die Spanier. Da keine grösseren Goldschätze im Guatavita-See gefunden wurden, nahmen bald andere Orte in Kolumbien bzw. Südamerika dessen Stellung ein.
In Kolumbien gab es kein grosses Volk wie die Inkas, die Landbevölkerung war vielmehr in kleineren Stämmen organisiert. Kolumbien entwickelte sich im 17. Jahrhundert dennoch zum grössten Goldproduzenten der Welt. Abgebaut wurde das Gold von der indigenen Bevölkerung, später von afrikanischen Sklaven, wobei der Handel über die Hafenstadt Cartagena führte. 1717 wurde der Norden Südamerikas (das heutige Kolumbien, Panama, Venezuela und Ecuador) zum Vizekönigreich Neugranada. Zwischen 1810 und 1819 fanden Auseinandersetzungen statt, welche schliesslich zur Unabhängigkeit von Spanien führten. Angeführt wurde der Kampf vom bekannten Unabhängigkeitskämpfer Simón Bolívar. Sein Traum war ein Grosskolumbien im Sinne von Neugranada, was nur wenige Jahre währte und 1830 zerfiel, worauf sämtliche Einzelstaaten ihre Unabhängigkeit erlangten. Interessant ist, dass Kolumbien und Panama damals noch ein Land bildeten. Anfangs des 20. Jahrhunderts forcierten die USA den Bau des Panama-Kanals und zwangen Kolumbien, Panama als eigenes Land die Unabhängigkeit zu gewähren. Geschichtlich Interessierten seien an dieser Stelle aber auch noch seriöse Quellen empfohlen ;-).
Nach dem informativen Museumsbesuch bummelten wir durch die Stadt. Von dem vielen Street Food schmeckten uns die frischen Früchte am besten, die Fleisch- und Fischgerichte trafen weniger unseren Geschmack. Am späteren Nachmittag haben wir uns einer geführten Walking Tour angeschlossen, mit der wir unzählige Graffitis abgelaufen sind und spannende Geschichten zu deren Entstehung und deren Künstlern gehört haben. In Bogotá haben sich neben nationalen auch viele internationale Graffiti-Künstler verewigt, auch von jenen, deren Werke wir aus Shoreditch in London kannten. Am Abend gingen wir ins «Tonala», ein alternatives Kino mit Bar und Restaurant. Wir assen etwas und tranken ein paar Bier, auf einen Kino-Besuch hatten wir dann weniger Lust, lieber beobachteten wir den Trubel um uns herum. Wir staunten auch hier wieder, wie westlich bzw. amerikanisiert das Ausgehen im Vergleich zu den bisher besuchten Ländern in Zentral- und Südamerika war.
Am nächsten Tag stiegen wir auf den berühmten Cerro de Monserrate. Dies ist einer von Bogotás Hausbergen im Südosten der Stadt, nur unweit daneben liegt noch der Cerro de Guadalupe. Die beiden Hügel sieht man praktisch von jeder Ecke in Bogotá, denn sie ragen mit 3'160 bzw. 3'320 Metern deutlich über die Stadt hinaus, welche auf 2'640 Metern über Meer liegt. Ein würdiger Sonntagsspaziergang würden wir mal meinen. Die Wanderung hatte es dann tatsächlich in sich: Durch den Wald hindurch läuft man grösstenteils auf einem breiten, treppenartigen Pflastersteinweg mit Tausenden von Leuten den Berg hoch. Die Höhendifferenz von über 500 Metern überwindet man über eine Distanz von nur wenig mehr als zwei Kilometer Länge. Pythagoras lässt grüssen… mit etwa 15% Steigung stiegen wir also die rund 1'500 Treppenstufen hoch. Wer nicht laufen mag, kann auch die Seilbahn nehmen nach einer geschätzten Wartezeit von zwei Stunden.
Zuerst waren wir erstaunt, so viele Leute unten bei der Seilbahn und dann auch unterwegs anzutreffen, ganze Familien mit kleinen Kindern kraxelten den Berg hoch. Doch dann realisierten wir, dass die Basilika hoch oben auf der Aussichtsplattform eine Art Pilgerstätte ist, welche für viele Bogotanos ein sonntägliches Ausflugsziel ist, so wie heute, 28. Mai 2017. Die Bogotanos werden übrigens auch als Rolos bezeichnet, im Gegensatz zu den Paisa in Medellín. Den Aufstieg gehen die meisten gemütlich an, schliesslich gibt es alle paar Meter Verpflegungsstände mit Getränken, Süssigkeiten, Fleischspiessen, warmem Süssgebäck oder auf Kohle gegrillten Maiskolben… und das Ganze immer musikalisch untermalt. Als wir schliesslich oben ankommen, geniessen wir die herrliche Aussicht auf die Stadt und Umgebung mit den vielen Wandergenossen. Das Bier vom Vorabend war rausgeschwitzt, höchste Zeit also den Rückweg in die Zivilisation anzutreten, welcher uns dann deutlich einfacher fiel.
Unten in der City haben wir uns spontan einer Walking-Tour angehängt, bei der viel über Kolumbiens Küche und die berühmten Smaragde erzählt wurde. Dass Kolumbianer gerne Kaffee trinken, weiss jedes Kind. Dass eines ihrer Lieblingsgetränke aber Chocolate con Queso ist, also eine heisse Schokolade mit Käsestreifen drin, war neu für uns. Die Kombination schmeckt tatsächlich sehr lecker und man sollte sie unbedingt probieren. Auch empfehlen können wir das leicht säuerliche Maisbier, welches man unter dem Namen Chicha kennt. Bekannt ist es nicht nur in Kolumbien, sondern im ganzen Andenraum und schon die Inkas haben es sich hinter die Binde gegossen. Das aus verschiedenen Pflanzen fermentierte Gebräu hat uns zum ersten Mal im peruanischen Marampata die liebe Mama von unserem Guide Cristian kredenzt. Passend zum Bier kriegt man fast überall Cancha in Lateinamerika, eine Art Popcorn, das wirklich süchtig macht.
Neben dem kulinarischen Einblick lernten wir auf der Walking Tour aber auch einiges über den berühmtesten Stein Kolumbiens, dem Smaragd, oder auf Spanisch: Esmeralda. Dieser wird seit Jahrhunderten v.a. im Norden abgebaut, früher noch unter schlimmsten Bedingungen und ist längst zu einem Symbol Kolumbiens geworden. Wie gesagt, die Spanier haben Gold nicht in der erhofften Menge gefunden, aber ihnen hatten es auch die Smaragde angetan, denn die liessen sich in Europa auch zu gutem Geld machen. Wir haben dann noch gelernt, dass dunkelgrüne Steine mit intensiver Farbe am begehrtesten sind und für Ehrlichkeit und Wahrheit stehen… das passte uns zwar, aber einen Stein brauchten wir dann doch nicht.
Später sind wir noch ins Botero Museum. Fernando Botero, der übrigens noch unter uns weilt, gilt neben Gabriel García Márquez als einer der wichtigsten «Söhne» Bogotás, obwohl er schon lange nicht mehr in Kolumbien lebt. Bekannt ist er, weil alle seine Figuren auf eine schöne Art sehr dick und disproportional sind und auf vielen Bildern ist er selbst prominent vertreten. Ebenfalls fasziniert hat uns, dass man bei einigen seiner Bilder übermalte Konturen entdecken kann, weil er Bilder oft über längere Zeiträume erstellt und Bestehendes wieder übermalt hat.
Da wir nur zwei Wochen Zeit hatten in Kolumbien, haben wir uns nach kurzer Recherche dazu entschlossen, von Bogotá aus in den Norden zu reisen. Wir planten die Weiterreise nach Medellín mit einem Zwischenhalt im Kaffeehochland rund um Salento und Manizales. Anschliessend wollten wir nach Cartagena und Santa Marta an der Karibikküste, von wo aus wir nach einem Flug in Richtung Havanna Ausschau halten würden. Zwar haben wir auch in Kolumbien wieder mit einem Auge nach Venezuela geschielt, aber die knapper werdende Zeit und v.a. die Sicherheitslage in dem Land haben uns diese Option dann wieder vergessen lassen.
So haben wir am Abend des 28. Mai den Nachtbus nach Salento bestiegen.
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