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Santiago, Chile

We are wicked!

Wir sind Teil der Wicked Community geworden. Die Wicked Campers, die es auch in anderen Ländern wie bspw. Australien zu mieten gibt, funktionieren immer nach dem gleichen Prinzip. Es sind kleine Busse, die mit dem Nötigsten für ein autonomes Leben ausgestattet sind, etwa einem Waschbecken mit Wasserpumpe, genügend Stauraum und einem Bett, das mit einigen Handgriffen aufgestellt ist. Die Busse erkennt man sofort an ihren markanten Graffiti-Bemalungen, teils mit provokanten Sprüchen, manchmal auch mit sehr originellen aber meistens eher mit pubertär bis infantil anmutenden Designs, also genau unser Ding :-).


Die ersten Wicked Campers hatten wir auf dieser Reise am Lago Roca in Argentinien gesehen. Da diese rot- bzw. blaugefärbte Haare hatten, haben wir sie kurzerhand als Hippies abgetan, besonders Patrick war sehr kritisch ;-). Auf unserer weiteren Reise in Patagonien haben wir aber immer wieder Wicked Campers gesehen und wir erkannten erst, dass es sich dabei um Mietwagen handelte. Sogar für Pensionisten schien diese unabhängige Art des Reisens eine adäquate Form zu sein, um die Weiten in diesen beiden riesigen Ländern zu überwinden und zu erkunden. In Santiago überlegten wir uns schliesslich, wie wir am besten weiterreisen wollten, um den Norden Chiles, Argentiniens und möglicherweise auch Peru und Bolivien möglichst unabhängig erkunden zu können. Doch keine einzige Autovermietung wollte uns ein Auto für diese Strecke vermieten. Immer wieder hiess es, dass die Fahrt nach Bolivien oder Peru den sicheren Verlust bzw. Diebstahl bedeuten würde, und zwar innert weniger Stunden, so dramatisierten (?!) sie. Kurzzeitig überlegten wir auch, einen alten Wagen zu kaufen, doch für die Formalitäten hätten wir im schlimmsten Fall mehrere Wochen Zeit benötigt. Wir beschränkten uns also vorerst auf Chile und Argentinien und Wicked schien uns auf einmal die perfekte Lösung dafür zu sein.


Wir hatten uns entschieden: In den nächsten knapp drei Wochen wollten wir nach über zwei Monaten Patagonien den Norden von Chile und Argentinien in einem Wicked-Camperbus bereisen. Die Route ging in Chile nordwärts bis zur bolivianischen Grenze und danach in Argentinien zurück bis Mendoza und dann wieder nach Santiago, eine klassische Rundreise also. Da fing die Qual der Wahl auch schon an: Wie organisiert man sich am besten ohne eine organisierte Tour und wie bringt man all die Orte, die man sehen will in "nur" drei Wochen unter bei diesen riesigen Ländern? Nur damit ihr euch mal ein Bild machen könnt: Die Nord-Süd-Ausdehnung von Argentinien beträgt 3‘700 Kilometer (Luftlinie). Auch für dieses Problem hatten wir eine Lösung: Ignorieren bzw. Aufschieben ;-). Mit anderen Worten würden wir uns in Chile Zeit nehmen und alles ansehen und dann in der kurzen verbleibenden Zeit in Argentinien runterstressen. So wie wir uns kennen, hätten wir das gleiche Problem auch gehabt, wenn wir für die Rundreise drei Monate gehabt hätten.


Am Nachmittag nahmen wir unseren Wagen in Empfang und verliessen mit dem Feierabendverkehr die Stadt Santiago. Unsere erste Station lag im Norden und war ein kleines Örtchen namens Pichidangui, wo wir unsere erste Nacht im Bus direkt am Pazifik verbrachten. Es funktionierte also, wir konnten unseren Wicked-Bus einfach irgendwo abstellen und darin schlafen, sogar ganz komfortabel wie wir fanden. Somit hatten wir die totale Freiheit und mussten uns die nächsten Wochen nicht mehr um eine Unterkunft kümmern, unser Zuhause war überall! Wir hatten also gerade die Vorzüge eines Wohnmobils entdeckt.


Das Design des Buses sucht man sich übrigens nicht selber aus, sondern man nimmt einfach, was man kriegt. Unser Gefährt hatte einen einigermassen originellen Spruch am Heck: “Lo juro, jamás he aceptado coimas ni lo volvería a hacer“. Das bedeutet soviel wie: “Ich habe noch nie Schmiergeld angenommen und werde es auch nie wieder tun“. Im Kontext der übrigen anarchistischen “Vota X Nadie. Nadie, te representa“ Bemalung mit Motiven der Anonymous Bewegung und der Aufschrift “rEVOLution“ machte dieser Spruch durchaus Sinn – zumindest war das unsere Interpretation. Jedenfalls wurden wir eines nachts von einer Autobahnpatrouille der chilenischen Carabineros mit der Flutlichtanlage voll angeleuchtet. Sie schossen mit dem Handy bei voller Fahrt ein paar Fotos von unserem originellen Spruch und überholten uns dann grinsend mit dem Victory-Zeichen. Eine nette Begegnung mit der Polizei :-).


Die Copec-Stationen, eine chilenische Tankstellen-Kette, wurden bald zu unserem zweiten Zuhause, denn hier gab es alles, was wir sonst noch zum Leben brauchten: Wi-Fi, Toiletten und meistens eine saubere Dusche für weniger als einen Franken. In manchen Copecs waren die Duschen sogar sauberer als in den Hostels, in denen wir auf der Reise bisher geschlafen hatten. Während es anfangs noch alle hundert Kilometer Tankstellen gab, nahmen diese stetig ab, je näher wir der Atacama-Wüste kamen. Früher oder später würden wir wohl einmal wieder ein Hostel brauchen, doch bis San Pedro de Atacama wollten wir uns noch in unserem Bus durchschlagen.


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