Santiago hatten wir längst hinter uns gelassen. Als wir auf der legendären Panamericana, die fast über den gesamten amerikanischen Kontinent führt und in Chile auch Ruta 5 heisst, immer weiter in den Norden fuhren, änderte sich die Landschaft allmählich. Es wurde zunehmend trockener und plötzlich tauchten wie aus dem Nichts grosse Kakteenlandschaften auf. Wer hatte die nur dahin gepflanzt? Ein sehr bizarrer Anblick für uns Europäer.
Die nächste Station auf unserer Route führte uns in das Valle de Elqui. Dieses wunderschöne Tal ist für zwei Sachen berühmt: Erstens für seinen unglaublich klaren Sternenhimmel und zweitens für den ausgezeichneten Wein und Pisco. Was ersteres betrifft, hatten wir etwas Pech, da der Mond aktuell zunahm, wodurch die Beobachtung der Sterne etwas ungünstig war. Trotzdem hatten wir einen tollen Abend auf unserer Astro-Tour mit Alfa Aldea, bei der wir viele allgemeine Dinge über Astronomie erfuhren. Ein wenig Auffrischung des Schulwissens kann nie schaden, oder wer kann sich ad hoc noch erinnern, wie weit der Mond von uns entfernt ist? Anschliessend beobachteten wir mit einem Teleskop die Sterne der südlichen Hemisphäre sowie den Mond, der vergrössert ganz schön grell erschien. Überhaupt ist Chile das Zentrum der professionellen Sterneguckerei: Die weltweit grössten Teleskope und Radiosatelliten befinden sich hier bzw. sind noch in Bau. Um aber die grossen Teleskope wie etwa das VLT (Very Large Telescope) auf dem Cerro Paranal in der Nähe von Antofagasta zu besuchen, sind Reservationen nötig, die Monate im Voraus gemacht werden müssen. Wir hätten einen Besuch dieses Observatoriums der Superlative toll gefunden, aber leider liess sich unser Zeitplan damit nicht in Einklang bringen.
Was die zweite Spezialität des Valle de Elqui betrifft, hatten wir schon mehr Glück: Wir sind genau zur Erntezeit der Trauben im malerischen Dörfchen Vicuña eingetroffen und mit der Erlaubnis eines Weingutbesitzers durften wir unseren Bus mitten in einem Traubenhain aufstellen und dort zweimal nächtigen. Um uns herum wurden fleissig Trauben geerntet und wir kamen in den Genuss des einen oder anderen Traubenbunds. Fast noch lieber wären uns aber die schönen Granatäpfel frisch vom Baum gewesen ;-). Im Dorf Pisco Elqui, wo sich Einrichtungen der Mistral Destilliere befinden, durften wir viel Wissenswertes über die Pisco-Produktion erfahren und am Ende auch reichlich davon verkosten. Kaum etwas toppt einen gut gemixten Pisco Sour, wie wir fanden. Das Rezept haben wir jedenfalls mitgenommen. Nach einem Besuch des Bilderbuch-Dörfchens Montegrande, aus dem Gabriela Mistral, die bisher einzige weibliche Literaturnobelpreisträgerin Südamerikas stammt und das überdies eine sehr schöne Kirche hat, verliessen wir das wunderschöne Elqui Valley wieder.
Es ging weiter in den Norden nach Punta del Chorros, einem verschlafenen Städtchen am Pazifik. Dieses verschlafene, oder doch eher heruntergekommene Städtchen wirkte ausserhalb der Hauptsaison fast wie eine Geisterstadt. Unser Interesse galt aber auch nicht der Stadt, sondern den Inseln der Umgebung, die berühmt für ihre einzigartige Fauna sind: Bottlenose-Delfine (klassische Flippers), Seelöwen, Otter, Kormorane, Pelikane und Humboldt Pinguine sollen hier leben. Trotz der Nebensaison fand sich ein "Bootsmann", der uns auf die Inseln fuhr. Und tatsächlich hatten wir viel Glück und konnten jedes einzelne dieser Tiere in seinem natürlichen Habitat beobachten. Mit den Fotos und dem Wetter hatten wir weniger Erfolg, bei schlechtem Licht und viel Bewegung schossen wir kaum ein brauchbares Bild. Aber was zählt sind die Eindrücke und wir waren wirklich begeistert, wie die Delfine in Scharen neben unserem Boot auf- und abtauchten. Oder wie die kleinen schlüpfrigen Otter gierig ihre Fischmahlzeit auf dem Felsen zerfetzten. Eins blieb unklar: So gerne wir diese Tiere auch sehen, ist es nun gut, wenn täglich Touristen mit Booten in ihr Habitat vordringen oder nicht? Unser Guide, der die Inseln schon seit über 20 Jahren regelmässig besucht, erzählte uns, dass der Bestand der Tiere in dieser Zeit gewachsen sei. Das war beruhigend für unser Gewissen, aber wie immer ist es wohl auch hier eine Frage der Besucherquantität.
Unser Road-trip führte uns weiter entlang der Küste nach Bahía Iglesia, einem Dorf mit weissen Sandstränden. Mehr zum Anschauen und weniger zum Baden, dazu war Chile im April einfach schon wieder zu kalt. Wir fuhren weiter über holprige Strassen zur Playa del Virgen, gemäss Lonely Planet bis vor kurzem noch ein wahrer Geheimtipp. Tatsächlich war es auch ein wunderschöner Sandstrand, den wir fast allein für uns hatten. Das war aber mehr der Jahreszeit zu verdanken, als dem geringen Bekanntheitsgrad. Tatsächlich ist dieser Strand den Bungalows auf den umliegenden Felsen nach zu urteilen schon längst kein Geheimtipp mehr. Wir verbrachten einen feinen Lese- und Fotografier Nachmittag, beobachteten einen romantischen Sonnenuntergang und schliefen dann an der Küste unter einem wunderschönen Sternenhimmel ein. Hatten wir die Nacht gerade noch auf Meeresniveau verbracht, sollten wir am nächsten Tag schon auf fast 4‘000 Metern über Meer schlafen. Das ist schon eine gewaltige Höhendifferenz in dieser kurzen Zeit, so dass wir in dieser Nacht die Höhe beim Versuch einzuschlafen spürten: der Puls- und die Atemfrequenz waren hoch und da war ein leichtes Druckgefühl im Kopf. Doch wie waren wir so plötzlich auf diese Höhe gekommen?
Comments