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Santiago, Chile

Si a Chile vino y no toma vino a qué chuchas vino?*

Per Flugzeug kamen wir spätabends von Puerto Montt nach Santiago de Chile. Den ersten Tag verbrachten wir mit Lesen und dem Verarbeiten der Eindrücke, die wir auf dem nördlichen Teil der Carretera Austral gesammelt hatten. Am Abend machten wir uns auf in den Stadtteil Bellavista, synonym für Santiagos Gastro-Szene und Nachtleben. Es gibt zahlreiche Restaurants, Bars und Cervezerías, eine angenehme Abwechslung nach den vielen Wochen mit Malbec und Cabernet. Ein besonderes Erlebnis war das Nachtessen im Restaurant Peumayen, das sich auf eine Küche mit ursprünglichen Ingredienzien spezialisiert hat. Die vielen kleinen Speisen aus allen Regionen Chiles schmeckten ausgezeichnet und offenbarten uns Geschmäcker, die wir bisher nicht kannten. Und selbstverständlich schmeckte auch der Pisco Sour, den die Chilenen genauso wie die Peruaner erfunden haben :-). Weil an dem Abend Chile gegen Argentinien um die WM-Qualifikation spielte, waren wir eher einsam in dem Restaurant...


Am nächsten Tag erkundeten wir die Stadt. Vom Hostel aus besuchten wir den nahegelegenen Cerro Santa Lucia, auf dem aktuell das Ñam Food-Festival 2017 stattfand. Weiter ging es dann zum riesigen Plaza de Armas und den Mercado Central mit seinen unzähligen Fischständen. Anschliessend sind wir zum Cerro San Cristóbal und seiner 14 Meter hohen Jungfrauenstatue hochgelaufen und haben die Aussicht auf Santiago genossen. Bei dem Anblick wurde uns die Grösse Santiagos bewusst: In der Stadt bzw. ihrer Umgebung leben ca. acht Millionen Einwohner, was fast 45% aller Chilenen entspricht. Bei dieser Zahl wird einem einmal mehr in Erinnerung gerufen, wie dünn besiedelt das Land insgesamt ist. In Santiago spürt man auch immer wieder die gesellschaftliche Ungleichheit, welche wie in Argentinien auch in Chile und anderen lateinamerikanischen Ländern herrscht. Es gibt in diesen Ländern nur eine kleine Mittelschicht und viele Menschen leben in relativer Armut. Gleichzeitig ermöglicht die Stadt aber vielen, überhaupt Arbeit und ein Einkommen zu haben. So haben wir auch oft Venezolaner angetroffen, welche ihr Land aufgrund der aktuell schwierigen politischen Situation verlassen haben und hier die Möglichkeit nutzen, Arbeit zu finden und ein Einkommen in ausländischer Währung zu verdienen. Während unserer Zeit in Argentinien hatten wir geglaubt, dass deren jährliche Inflationsrate von 30% bis 35% nicht schlimmer sein könnte. Nun wissen wir, dass dies möglich ist: Aktuell beträgt die Inflation in Venezuela gegen 1‘000%, womit das venezolanische Geld praktisch wertlos wird bzw. einer Enteignung gleichkommt! Der IWF prognostiziert für das Jahr 2018 sogar 2‘000%. Daher verlässt jeder das Land, der die Möglichkeit dazu hat. Wieder einmal denken wir uns, wie klein unsere „westlichen“ Probleme doch manchmal sind... So gerne wir Venezuela auf dieser Reise auch besucht hätten, momentan schien uns nicht der richtige Zeitpunkt dafür zu sein.


Am dritten Tag in Santiago stand ein Gang zur Post an, denn wir wollten einen kleinen Rucksack mit Dingen, die wir auf unserer Reise nicht mehr benötigten, zurück nach Österreich schicken. In der Post zogen wir wie üblich in Lateinamerika erstmal eine Nummer. Aktuell wurde gerade die Nummer 854 bedient, wir hatten die Nummer 975. Warten gehört hier zur Tagesordnung und kaum jemand scheint sich darüber zu ärgern, sei es an der Supermarktkasse, dem Bankautomaten oder eben der Drogerie oder Post. Manchmal fanden wir, dass diese Warterei für uns auf Effizienz getrimmte Wesen etwas Beruhigendes hat, auch wenn wir es auf die Dauer wohl nur schwer aushalten würden. Nach etwas über einer Stunde waren wir dann endlich an der Reihe und erklärten dem Postbeamten unser Vorhaben. Nachdem es zuerst mehrfach hiess “No es posible“, fand sich dann doch ein Weg: Der Postbeamte taute auf und legte sich ins Zeug, faltete und klebte verschiedene Kartonboxen ineinander und kontrollierte und protokollierte fein säuberlich jeden Gegenstand in unserem Rucksack. Nach einer Stunde Wartezeit auf der Post und 45 Minuten am Schalter war unser Paket aufgegeben und wir ein paar Kilo leichter. Ob das Paket seinen Weg nach Österreich finden wird, können wir noch nicht sagen.


Um in Santiago grössere Distanzen zu überwinden, haben wir entweder die U-Bahn oder manchmal auch Uber benutzt. Letzteres ist manchmal schwierig, da nicht ganz klar ist, ob der Fahrdienst hier legal ist. Wenn die Fahrt nicht gencancelt wird und man das Fahrzeug dann auch findet, setzt man sich immer auf den Beifahrersitz, um den Eindruck einer privaten Fahrt zu erwecken. Es werden dann kurz einige Eckdaten ausgetauscht, damit man der Polizei bei einer Einzelbefragung eine konsistente Geschichte erzählen könnte. Wir bezweifeln aber dass dies funktionieren würde... Jedenfalls waren die Fahrten sehr interessant, denn viele der Uber Fahrer waren in Wirklichkeit bspw. Ingenieure und hatten spannende Geschichten zu erzählen. So erfuhren wir bspw., dass viele Argentinier nach Chile kommen, um sich mit Elektrogeräten einzudecken, weil es diese in Argentinien entweder nicht gibt oder sie dort viel teurer sind. Neben solchen Trivia erzählten uns die Fahrer aber auch immer wieder von der Ungleichheit im Land, bspw. im Gesundheitswesen, zu dem ärmere Leute nicht oder oft zu spät Zugang finden, oder auch dem Bildungswesen mit den teuren Schulen und Universitäten. Taxi- und Uberfahrer waren immer eine sprudelnde Informationsquelle für uns.


Am letzten Abed trafen wir uns mit Francisco und Vale, einem chilenischen Pärchen, das wir auf dem O-Trek kennengelernt hatten. Wir verbrachten einen geselligen Abend mit viel Wein, Piscola und Bier. Wir wollten dem inoffiziellen Leitspruch* in Chile ja so gut wie möglich nachkommen :-). Am nächsten Tag machten wir uns mit dem Bus auf nach Valparaíso an der Pazifikküste, um Meeresluft zu schnappen und die weltbekannten Cerros und Graffiti zu bestaunen. Interessanterweise hat auch das chilenische Parlament seit einigen Jahren seinen Sitz nicht mehr in Santiago, sondern in Valparaíso, der einst so wichtigen Hafenstadt des Landes.


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