Als wir Santiago nach der umständlichen Passüberquerung endlich erreichten, blieben wir einige Tage in einem netten Hotel im Stadtteil Providencia. Aufgrund der Nebensaison waren wir sogar fast die einzigen Gäste. Auf der Dachterrasse mit Sicht auf den Cerro San Cristóbal auf der einen und das Costanera Center, das mit 300 Metern höchste Gebäude Lateinamerikas, auf der anderen Seite, liess es sich auch gut schreiben. Wenn sich der Smog lichtete, konnte man sogar die verschneiten Anden im Hintergrund sehen. Wir erstellten in dieser Zeit die vielen bisherigen Blogbeiträge und klickten uns durch Abertausende von Fotos. Nach drei Monaten kreuz und quer durch Chile und Argentinien hatten wir selber schon keinen Überblick mehr über unsere Reiseroute. Es tat daher sehr gut, alles niederzuschreiben und die vielen Eindrücke zu verarbeiten. Der seit Wochen diskutierte Blog war damit fast fertig und wir waren froh, demnächst die vielen WhatsApp-Nachrichten nicht mehr schreiben zu müssen, um euch über unsere Erlebnisse up-to-date zu halten ;-).
Bei diesem zweiten Besuch haben wir Santiago auch von einer anderen Seite kennen gelernt, als bei unserem ersten. Der Stadtteil Providencia machte einen sehr westlichen Eindruck und in der Gegend um den Costanera Tower haben wir uns kurzzeitig wie in London gefühlt. Einzig die vielen Velofahrer schienen den Fussgängern viel freundlicher gesinnt zu sein. In diesem Konsumtempel haben wir uns mit dem Nötigsten für die weitere Reise eingedeckt, denn nach dem Diebstahl fehlte uns noch immer so einiges. Endlich hatten wir dann wieder genügend Wechselwäsche und vor allem konnten wir unsere Linsenvorräte aufstocken. Nachdem wir effizient durch die Einkaufsmalls durchnavigiert sind, blieben am Ende für Gonca zwei Essentials noch offen: ein Bikini und ein legeres Sommerkleid. Denn die Einkaufsläden in Chile, bekanntlich auf der Südhalbkugel, hatten bereits auf die Herbst-Winterkollektion umgestellt und Bikinis fanden sich nicht mehr im Sortiment der gängigen Boutiquen.
Wie der Zufall es will, bekam Gonca, die auf der Dachterrasse am Blog bastelte, am nächsten Tag Besuch. Patrick war währenddessen mit dem gemeinsamen Portemonnaie in der Stadt und jagte dem Polizeibericht über den Diebstahl hinterher. Zudem musste sein mittlerweile dschungelartig wuchernder Bart wieder dringend gestutzt werden (der Rasierapparat war auch gestohlen worden). Es war das erste Mal, dass in den vier Tagen jemand anderer die Terrasse betreten hatte. Das brasilianische Modelabel Lemonaki für Kleider und Bademode hatte sich an diesem Nachmittag für ein Fotoshooting angemeldet. Während sich das Model den ganzen Nachmittag in verschiedensten Bikinis und Kleidern in Pose warf, fiel Gonca das eine oder andere Bikini sehr positiv auf, die sie da im Augenwinkel beim Schreiben erspähte. Als die Crew später zusammenpackte, erfragte sie etwas geniert ob sie diese Bikini auch kaufen konnte in Unkenntnis über das Label und deren Preis. Die Stylistin und Fotografin reagierten überrascht, aber äusserst lieb und liessen sie sofort eine Auswahl an Bikinis anprobieren. Gonca kramte die vom vor Antritt der Reise übrig gebliebenen Euros zusammen, die sich in einem der Rucksäcke befanden, nur um dann festzustellen, dass das Geld für diese Bikinis nicht einmal annährend ausreichte. Die beiden Damen fanden die Situation aber so aussergewöhnlich, dass sie ihr plötzlich gerne einen geben wollten, trotz des unzureichenden Geldes. Paradoxerweise gaben sie ihr dann das teuerste und wertvollste Bikini, da sich diese in dieser Grösse und aufgrund des hohen Preises am schlechtesten verkaufen liess, wie sie erklärten. Sie baten Gonca, darüber in unserem Blog zu schreiben, ihr Land zu geniessen und Werbung für ihr schönes Land zu machen. Das machen wir hiermit gerne. Den beiden war nur nicht bewusst, wie unpopulär unser Blog war bzw. dass dieser zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal online war :-). Und so kam Gonca an ihr exquisites „Adriana Degreas“ Bikini. Angeblich sei sie the-best-of-the-best in Brasilien, wie sie erklärten. So konnte Gonca einen weiteren Artikel auf ihrer Einkaufsliste abhaken und war auch endlich bereit den Hotelpool zu benutzen. Da war auch schon Patrick zurück in seinem neuen Look, wie ihr euch selber auf dem Foto überzeugen könnt - noch etwas gewöhnungsbedürftig...
Die Tage in Santiago waren insgesamt sehr erholsam. Einzig die gelegentlichen Erschütterungen sorgten bei uns für etwas Unbehagen. Während die Erde meistens nur leicht bebte, haben wir am 24. April auch noch ein veritables Erdbeben mit einer Stärke von 6.9 erlebt. Nach drei Monaten war es an der Zeit, Argentinien und Chile hinter uns zu lassen. Wir freuen uns auf die Abwechslung und den Amazonas-Regenwald!
Comments