Nach unserem aufregenden Klettertag mit den Kondoren nahe Mendoza verbrachten wir unsere vermeintlich letzte Nacht im Bus. Am nächsten Morgen steuerten wir Santiago an, wofür noch einmal die Andenkette auf 4‘000 Metern durch- bzw. überquert werden musste. Kurz vor der auf gut 2‘000 Meter gelegenen Ortschaft Uspallata wurden wir aber von der Gendarmarie aufgehalten, denn aufgrund der starken Regen- und Schneefälle der letzten Tage hatten sich auf dem Pass Murgänge gelöst, die mehrere Strassen verschüttet hatten. Der Pass blieb diesen Tag geschlossen und sollte erst am nächsten Tag um neun Uhr wieder öffnen wie man uns mehrmals versicherte. Das bedeutete, dass wir den Wicked Bus nicht rechtzeitig zurückbringen konnten, aber auch, dass wir unseren Flug am folgenden Morgen nach Calama verpassen würden. Von Calama bzw. San Pedro aus wollten wir nämlich über eine dreitägige Tour im Andenhochland in die bolivianische Salzwüste Uyuni gelangen, wo wir unsere Reise in Richtung Sucre fortsetzen wollten. Wir trauerten dem verpassten Flug aber nicht lange nach, hatten wir doch mittlerweile viele Salzwüsten in Chile und Argentinien gesehen. So schön diese Landschaften auch sind, wir waren bereit für eine Abwechslung. Vor allem wollten wir auch keine Kälte mehr, denn wir froren ja praktisch schon seit Patagonien, nur dass wir seit San Pedro nicht einmal mehr unsere Daunenjacken oder Handschuhe besassen. Wir nahmen es also gelassen, quartierten uns in eine kleine farbenfrohe Cabaña mit Internetanschluss und tüftelten am weiteren Reiseverlauf. Es galt eine preisgünstige Verbindung in den Norden zu finden. Bald schon wussten wir, dass wir reif für ein anderes Extrem waren: das üppige Grün des Amazonas-Regenwaldes!
Am nächsten Morgen standen wir um neun Uhr schon in der Warteschlange vor der Barriere zur Passstrasse. Die Aufräumarbeiten verzögerten sich und die Gendarmen sagten uns, dass wir ohne Schneeketten nicht über den Pass fahren durften. So haben wir uns für 130 Franken noch schnell Schneeketten von einem geschäftigen Verkäufer andrehen lassen. Am Strassenrand hatten sich nämlich schnell einige Schneekettenhändler niedergelassen. So wie uns ging es übrigens 95% aller Reisenden. Für die Schneekettenverkäufer muss es ein guter Tag gewesen sein! Der Pass blieb jedoch weiterhin geschlossen und wir wurden auf immer später vertröstet. Die Argentinier und Chilenen um uns herum gingen eigentlich recht entspannt mit der Situation um und beschäftigten sich mit Fussball spielen, Essen oder dem Knüpfen neuer Bekanntschaften. Während Gonca den Tag im Bus entspannt mit Lesen verbrachte, kannte Patrick bald schon fast jeden Einzelnen in der langen Kolonne persönlich. Voll in Fahrt gekommen mit seinem Spanisch schlich er den ganzen Tag zwischen den Autos umher und unterhielt sich mit all den Leuten. Ja, es ging sogar soweit, dass er die anderen Fahrer schon über den Fortschritt der Aufräumarbeiten informierte. Die Infos dazu holte er sich direkt von den Gendarmen einen Kilometer weiter vorne ein ;-).
Lustig waren auch die Sticheleien zwischen den Chilenen und Argentiniern, wie immer eigentlich. Während für die Argentinier klar war, dass es die Chilenen nicht fertig brachten, den Pass endlich freizuräumen, waren die Chilenen überzeugt, dass die ganze Schuld bei den Argentiniern lag. Wir blieben neutral und fanden es einfach unterhaltsam. So verging allmählich der ganze Tag mit Warten, denn der Pass wurde auch an diesem Tag nicht mehr geöffnet. Viele unserer Bekanntschaften hatten sich mittlerweile wieder auf den Rückweg nach Hause gemacht und die Wochenendpläne geändert. Wir blieben, verputzten unseren letzten Proviant und schliefen im Bus ganz vorne in der Kolonne. So waren wir am nächsten Morgen schnell startklar, als ein Gendarm um halb sieben an die Scheibe klopfte. Natürlich wurde es dann doch kurz nach acht, bis wir endlich grünes Licht für die Weiterfahrt bekamen. Wir hatten schon nicht mehr damit gerechnet und glaubten, einen anderen Pass nehmen und über 1‘000 Kilometer Umweg machen zu müssen. Je näher wir dem Pass kamen, desto dichter wurden die Wolken und langsam schwand auch die Zuversicht, dass wir den nahegelegenen Aconcagua noch zu Gesicht bekommen würden. An der Grenze erledigten wir die Formalitäten, die mit einem Mietwagen einigermassen umständlich sind und kamen danach problemlos in Santiago an. Ob wir die Schneeketten, die cadenas, dabei haben, wurde durch Gendarmen mehrmals überprüft, gebraucht haben wir sie übrigens nicht, welch eine Überraschung :-).
Insgesamt hatten wir mit dem Wicked Bus in knapp drei Wochen über 5‘500 Kilometer zurückgelegt. Es war also höchste Zeit für ruhigere Tage in Santiago, um das Erlebte zu verarbeiten.
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