Wir wollten, dass unsere Abenteuer auf der Carretera Austral weiter gingen, aber diesmal vom Norden in den Süden! Nach dem kleinen Debakel mit Patricks Pass hatten wir es doch noch nach Puerto Montt geschafft. In der Los Lagos Region Chiles, auch als Lake District bezeichnet, war es wieder ganz schön grün geworden und auf den Weiden grasten Kühe und anderes Vieh, fast wie bei uns zu Hause. Wir waren im Land der Mapuche angekommen, der mit gegen einer Million grössten indigenen Bevölkerungsgruppe Chiles. Das Wort Mapuche heisst übrigens soviel wie “Menschen vom Land“. Die Mapuche wurden in ihrer Geschichte oft bekämpft und müssen heute noch für ihre Rechte kämpfen. Sie sind die einzige indigene Bevölkerungsgruppe auf dem ganzen lateinamerikanischen Kontinent, deren Unabhängigkeit und Souveränität rechtlich anerkannt wurde. Um die Gegend zu erkunden, mieteten wir uns am Flughafen einen kleinen Wagen und fuhren in nördlicher Richtung nach Puerto Varas, das an einem idyllischen See mit dem schönen Namen Lago Llanquihue liegt. Mittlerweile war es März geworden und somit die Hauptsaison für Patagonien fast um.
Puerto Montt ist weniger interessant für Touristen, spielt aber eine wesentliche Rolle als Mittelpunkt der Lachs-Industrie von Chile, dem nach Norwegen zweitgrössten Lachs-Exporteur der Welt. Nach einer Krise in den späten 2000er Jahren hat sich die Industrie heute wieder erholt und es finden sich zahlreiche Lachsfarmen in und um Puerto Montt, auch wenn Probleme vom übermässigem Antibiotikaeinsatz offenbar weiter bestehen. Von Puerto Varas aus fuhren wir westwärts dem Lago Llanquihue entlang. Dabei hatten wir stets schönste Aussichten auf die beiden verschneiten und fast perfekt geformten Vulkane, den Volcán Osorno und den Volcán Puntiagudo. Wir kamen vorbei an kleinen Städtchen mit lustigen Namen wie Frutillar und Puerto Octay. Auf dieser Route trifft man heute noch auf viele deutsche Spuren, da sich hier im 19. Jahrhundert deutsche Auswanderer angesiedelt haben. Geschäfte und Restaurants der Gegend haben deutsche Namen und viele Häuser sind mit den eher für Deutschland typischen Schindeldächern abgedeckt. Diese deutschen Siedler waren damals auf den Ruf der chilenischen Regierung gefolgt, um die unerschlossene Wildnis zu besiedeln. Ob sie so genau gewusst haben, welche Wildnis sie hier erwartet, darf bezweifelt werden. Tatsächlich bietet die Umgebung des nördlichen Teils der Carretera Austral reichlich Wildnis. Das konnten wir selber feststellen, als wir in Puerto Montt von der Panamericana, die in Chile auch als Ruta 5 bekannt ist, auf die Carretera Austral bzw. Ruta 7 wechselten. Die Carretera Austral südlich von Puerto Montt war deutlich wilder und unerschlossener, als der Teil im Süden, den wir bis Coyhaique befahren hatten.
Am folgenden Tag brachten uns drei Fähren, von denen eine über 3.5 Stunden zwischen pristinen mit Wäldern bewachsenen Fjorden tuckerte, nach Caleta Gonzalo im südlichen Teil des Parque Pumalín. Dass wir zwischendurch einmal zwei Stunden warten mussten, weil die zweite Fähre nicht mehr Platz für alle Fahrzeuge bot, gehörte eben dazu. Weiter ging es auf den Schotterstrassen, die wir vom Süden schon kannten. Wir mussten noch Proviant einkaufen für die nächsten Tage, aber wir hatten da wohl etwas falsch verstanden, denn Caleta Gonzalo war kein eigentliches Dörfchen wie in der Karte eingezeichnet, sondern bestand nur aus einigen Bungalows, einer Touristeninformation und einem Campingplatz. Lebensmittel suchten wir hier vergebens. Glücklicherweise war den Bungalows noch ein Café angeschlossen, wo wir an überteuerte Sandwiches kamen und so nicht verhungern mussten ;-).
Der Parque Pumalín ist im Privatbesitz eines amerikanischen Milliardärs. Nachhaltigkeit und die Beschäftigung der indigenen Bevölkerung im Park stehen im Vordergrund und der Park ist auffällig ordentlich und überall perfekt beschildert. Die Vegetation gleicht einem gemässigten Regenwald und unterscheidet sich stark von den eher trockenen Wäldern, die wir bisher auf der Carretera Austral gesehen hatten. Trotz der umgebenden Wildnis erschien uns der Park fast ein wenig zu aufgeräumt und künstlich. Zu Fuss folgten wir dem Weg entlang mächtiger Wasserfälle zu den bis 3‘000 Jahre alten ehrwürdigen Alercen, den patagonischen Zypressen, von denen einige einen beeindruckenden Stammdurchmesser von mehreren Metern aufwiesen. Die Bäume sind heute geschützt, denn wegen ihres langlebigen, harten Holzes wurden sie früher oft gefällt, um dann zu Dachschindeln verarbeitet zu werden. In der Zeit waren die Schindeln so wertvoll, dass man mit ihnen fast wie mit Geldstücken bezahlen konnte. Unser Highlight im Parque Pumalín war die eher kurze, aber strenge Wanderung zum Krater des Vulkans Chaitén, von dem bis zu seiner überraschenden Eruption im Jahre 2008 niemand wusste, dass es sich überhaupt um ein Vulkan handelte. Bei diesem Ausbruch waren grosse Teile des Parks zerstört, d.h. durch die Hitze (nicht durch Feuer) verbrannt worden. Das nahegelegenen Städtchen Chaitén, das bis dahin wohl niemand ausser die Bewohner selbst kannte, musste evakuiert werden. Pläne, das ganze Dorf an einen anderen Ort zu „zügeln“ scheiterten und es sind in der Zwischenzeit viele Leute nach Chaitén zurückgekehrt, auch wenn das Dorf nicht mehr die Grösse von vor 2008 hat.
Von Chaitén ging es weiter ins Bergdorf Futaleufú, wozu wir die Carretera Austral fürs Erste wieder verliessen.
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