Wir hatten Chile hinter uns gelassen und der zweite Teil unseres Wicked Road-trips begann auf argentinischem Terrain. Wie vermutet, wurde die Zeit für diesen Teil etwas knapp wegen unserem Abstecher in die Salzwüsten Chiles. Es galt, in fünf Tagen rund 2‘000 km nach Santiago zurückzufahren und dabei die Highlights in Argentiniens Norden zu besuchen. Wir bewiesen Mut zur Lücke und stellten uns ein kompaktes Programm zusammen, an dessen Ende ein entspannter Tag in Mendoza und der langersehnte Klettertag in den Anden stehen sollte. Unseren ersten Halt machten wir in Purmamarca in der Provinz Jujuy. Das kleine Dörfchen hat einen einladenden, täglichen Markt im Dorfkern, wo die Erzeugnisse der indigenen Bevölkerung verkauft werden und ist vor allem bekannt für seinen Cerro de los Siete Colores, den Berg mit den sieben Farben. Tatsächlich leuchten die verschiedenen Schichtungen dieses Berges in pastellfarbenen Tönen, die durch die hohe Konzentration unterschiedlicher Mineralien in den Gesteinsschichten zustande kommen, zumindest gemäss Wikipedia :-). Was auch immer die genaue geologische Ursache für diese geschichtete Färbung ist, es war äusserst eindrücklich. Auf einem drei Kilometer langen Spaziergang konnten wir uns an diesem Ostersonntag weiter an der farbenfrohen Landschaft und den riesigen Kakteen erfreuen. Nur, dass die Sonne an diesem Tag nicht so recht heraus wollte... was sind schon Farben ohne Licht?
Von Purmamarca aus fuhren wir nördlich in die Quebrada de Humahuaca, einer farbigen Bergschlucht, bis zum Örtchen Maimara, wo uns imposante, gezackte Farbmuster ins Auge stachen, ganz so, als hätte es die Natur bewusst so designt. Nach Maimara fuhren wir in den Süden, durchquerten die grosse Stadt Salta und kamen in der Dunkelheit im netten Städtchen Cafayate an, das wie Mendoza zu den bedeutendsten Weinproduzenten Argentiniens zählt. Die Rebengebiete um Cafayate waren sehr schön, aber die eigentliche Attraktion waren die Landschaften der Bergschlucht nördlich der Stadt, der Quebrada de Cafayate, die wir im Dunkeln durchgefahren waren. Also fuhren wir am nächsten Morgen diese Strecke gut ausgeruht wieder zurück und sahen wunderschöne, geschichtete, rötliche Felsformationen, fast so wie man den wilden Westen aus den Filmen kennt. Wir waren in der Nacht zuvor an diesen Landschaften vorbei gefahren, ohne zu ahnen, welche Juwelen sich in der Dunkelheit verbargen.
Wir verbrachten den ganzen Tag auf diesem rund 50 Kilometer langen Streckenabschnitt, erklommen sämtliche Hügel und Berge und erfreuten uns an deren Schönheit. Bevor wir den grossen Streckenabschnitt nach Mendoza in Angriff nahmen, stoppten wir noch kurz im Städtchen Tafi del Valle. Während unsereiner einen Apfelbaum im Garten stehen hat, züchtet der Durchschnittsargentinier in diesem Ort Monster-Kakteen heran ;-). Weil wir den ganzen Tag in diesem Tal verbracht hatten, stand uns nach dem Abendessen in Tafi del Valle eine lange Fahrt bevor. Wir liessen die trockenen Landschaften hinter uns und fuhren bis zwei Uhr nachts nach Süden. Welche Landschaften uns in der Dunkelheit wohl wieder verborgen blieben? Wir stellten uns vor, dass es nur langweiliges Weideland mit Kühen sein konnte, denn irgendwo mussten die argentinischen Steaks ja herkommen.
Nach einer kurzen Nachtruhe auf dem Parkplatz eines kleinen Dorfes, setzten wir unsere Reise früh am nächsten Morgen fort. Wir wollten früh in Mendoza ankommen, um diesen Abschnitt der Reise mit zwei gemütlichen Tagen ausklingen zu lassen. Vor Mendoza mussten wir überflutete Strassen passieren, die das Ergebnis der intensiven Regenfälle der letzten Tage waren. Unseren Bus mit voller Geschwindigkeit durch das Wasser zu jagen, machte richtig Spass... zumindest dem kindischen Fahrer :-). Nach über 1‘000 Kilometern in weniger als 24 Stunden hatten wir unser Ziel Mendoza erreicht. In der Stadt hatte bereits der Herbst Einzug gehalten, die Blätter der vielen Pappeln trugen schon einen gelblichen Schimmer. Nach mehr als zwei Wochen im Bus (mit Ausnahme der beiden Nächte in San Pedro) gönnten wir uns ein Hotelzimmer inmitten eines Weinguts in Luján de Cuyo, einem Stadtteil im Süden. Entspannung stand auf dem Programm, bevor es am nächsten Tag endlich zum Klettern in die umliegenden Berge ging. Welch ein Glück, dass sich die Sonne nach den regenreichen Tagen an unserem Klettertag wieder zeigte. Während dem Frühstück konnten wir zusehen, wie die Kraft der Sonne Wolken und Nebel langsam auflöste und die Sicht auf den tief verschneiten Cordón del Plata allmählich freigab.
Wie in Bariloche war es auch in Mendoza schwierig, ohne eigene Ausrüstung klettern zu gehen. Ausserdem waren in der Zwischenzeit auch unsere Klettergurte den Dieben in San Pedro zum Opfer gefallen. Wir buchten uns deshalb eine eintägige Mehrseillängentour bei Andes Vertical. Unser Guide Guillermo holte uns pünktlich um acht Uhr früh im Hotel ab. Wir genossen es, einmal nichts denken und organisieren zu müssen und liessen uns von den Fakten und Trivia über die Umgebung berieseln. Guillermo erzählte uns viel über die umgebenden Berge, seine Expeditionen auf den Aconcagua, die Akklimatisationsdauer und Probleme mit der Höhenkrankheit und die Höhenklinik, die gerade für Gonca hochspannend waren. Nach zwei Stunden Fahrt erreichten wir unser Klettergebiet Los Arenales in der Nähe von Tunuyán. Die Berge um uns herum ragten majestätisch in die Höhe. Wir waren ganz allein, einzig ein übereifriger Gendarm vom Grenzposten, dem einzigen Gebäude weit und breit, kam auf uns zu. Er wollte unsere Pässe sehen, denn Chile war ja gleich hinter den Bergen, kommandierte uns in Schweizer-Militär-Manier herum und zog dann grusslos wieder von dannen. Nach einem 40-minütigen Aufstieg zum Fusse des Felsens hatten wir den feinsten Granit mit idealen Risskletterabschnitten vor uns.
Schon beim Durchsteigen der einfachen Seillängen sahen wir die riesigen Kondore über unsere Köpfe hinweggleiten. Es war ein herrlicher Tag, blauer Himmel, die frisch verschneiten Andengipfel, der Granit und wir! Guillermo war zudem ein sehr verantwortungsvoller Guide. Unsere Frage ob wir bei der Mehrseillänge auch vorsteigen können, wollte er nicht direkt verneinen, aber man merkte, dass es ihm lieber war, die Stände selber zu bauen. Er wollte uns eben den 150 Meter hohen Bergabschnitt sicher rauf- und auch wieder runterbringen. Wir kletterten daher den ganzen Nachmittag Toprope. Bei 50 Metern für eine Seillänge und der hinzukommenden Seilspannung war aber auch Toprope Challenge genug für uns. Die grosse Seillänge ergab sich, weil wir aufgrund der einsetzenden Wetterverschlechterung einige Stände ausgelassen haben. Als wir so weiter rauf kletterten, waren die Kondore nicht mehr nur über, sondern gelegentlich auch unter uns zu sichten. Diese Vögel sind wahrlich eindrückliche Tiere mit gewaltigen Ausmassen. Bevor uns die Wolken in der Wand vollständig umhüllten, seilten wir uns schnell ab und ein perfekter Klettertag ging zu Ende.
Während dem Klettern haben wir uns mit Guillermo stets auf englisch unterhalten, denn wenn es um Sicherheit beim Klettern geht, verständigen wir uns gerne in einer Sprache, in der wir beide sattelfest sind. Im Auto haben wir die Konversation dann auf spanisch weitergeführt und Guillermo blühte so richtig auf. Während er und Patrick sich bestens unterhielten, war Gonca auf der Rückbank schon längst eingeschlafen...
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